Interview mit Alexander Happ: Projektentwicklung und Verantwortung

Reasult Let’s Talk – Heute: Ein Interview mit Alexander Happ, Mitgründer und Geschäftsführer von ASSIDUUS Development

In unserer Interviewreihe “Let’s Talk” stellen wir führende Immobilienentwickler vor. Dabei sprechen wir über das Thema Projektentwicklung und die komplexen Prozesse sowie Veränderungen auf diesem Gebiet.

Let's talk – der Reasult Talk rund um das Thema Projektentwicklung

Atessa Heijn, Key Account Manager bei Reasult, sprach mit Alexander Happ, Mitgründer und Geschäftsführer von ASSIDUUS Development

Alexander Happ gehört zu den Gründern von ASSIDUUS Development. Vor ASSIDUUS war er seit 2012 Geschäftsführer der BUWOG Bauträger in Berlin. Nach der Übernahme der BUWOG durch die Vonovia war er für diese bis Ende 2019 als Geschäftsbereichsleiter Development Deutschland tätig. Weitere berufliche Stationen waren unter anderem Mitglied der Geschäftsleitung bei Interboden Innovative Lebenswelten in Ratingen, Geschäftsführer der Ideal Assets in Düsseldorf/Köln sowie Gesamtprojektleiter des Frankfurter Europa-Viertels bei der Vivico Real Estate.

Im Anschluss an seine kaufmännische Ausbildung und einer Außenhandelstätigkeit in Hong Kong studierte Happ zunächst Wirtschaftsingenieurswesen in Hamburg sowie VWL/BWL in Kiel.

Wie sind Sie in der Projektentwicklung gelandet?

„Meine Eltern kommen aus der Immobilienbranche, sie waren als Architekten und Bauträger tätig. Sie rieten mir aber allerdings zunächst davon ab, in dieser volatilen Branche beruflich tätig zu werden, die in den 60er, 70er und 80er Jahren sehr abhängig von der Steuerpolitik und von Krisen geschüttelt war. Den Weg in die Projektentwicklung fand ich schlussendlich trotzdem durch meinen Vater, dessen Unternehmen ich übernahm. Ich ging anschließend nach Frankfurt, in die Main-Metropole, in der 2000 goldene Zeiten herrschten. Dann brach die New Economy zusammen. Daraus zog ich meine erste Lehre: Vergiss, was in Gutachten steht. Wenn sich Umstände dramatisch ändern, sind sie nichts mehr wert.“

Hat sich das Berufsbild des Projektentwicklers in den letzten Jahren signifikant verändert?

„Die Branche verliert aktuell ihre License to operate – die gesellschaftliche Akzeptanz nimmt ab, unsere Branche verliert an Reputation. Das liegt daran, dass Produkte heutzutage zum Beispiel zu teuer, zu groß oder nicht ökologisch genug sind. Heute wird etwas Neues oft als Bedrohung wahrgenommen. Die Branche steht mit ihren Projekten daher oft in der Kritik. Hinzu kommt die Klimakrise, die aufzeigt, dass der Bau und damit die Projektentwicklung einer der größten Treiber von CO2-Emissionen ist. Diese Faktoren beeinflussen die kollektive Wahrnehmung der Branche negativ.

Projektentwicklung heißt, mit etwas wenig Greifbaren anzufangen – mit einer Vision. Damit ist gleichzeitig ein großes Risiko verbunden. Risiko und Chance schließen sich jedoch nicht gegenseitig aus. Ein großes Vertrauen ist in der Branche notwendig, von Kapitalgebern, Banken, Partnern, etc.“

Es geht in der Projektentwicklung immer darum, etwas Neues zu erfinden. Man muss im Leben dafür gewappnet sein, dass sich alles ändert, vor allem im Bereich der Projektentwicklung. Als Projektentwickler sollte man am Puls der Zeit leben, damit man zeitgemäße Produkte entwickelt.

- Alexander Happ - ASSIDUUS Development

Welchen Einfluss hat das Thema Nachhaltigkeit für die Projektentwicklung?

„Nachhaltigkeit meint nicht nur ökologisches, sondern auch soziales Handeln. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Heutzutage haben Unternehmen die Aufgabe, sozial verantwortlich zu sein. Stellvertretend für unser Unternehmen ASSIDUUS wollen wir nachhaltig und stärker Gemeinwohl orientiert arbeiten. Einen finanziellen Gewinn bei einem Projekt zu erzielen ist essenziell, das sollte aber immer an das gemeinwohlorientierte Arbeiten gekoppelt sein. Projektentwicklung muss dabei ganzheitlich gedacht werden, indem z. B. die Anforderungen und Wünsche der Nachbarschaft bei einem Bauprojekt berücksichtigt werden.

Wenn die soziale Marktwirtschaft ordoliberal den Unternehmen die Aufgabe gab, Gewinne zu erwirtschaften und damit Beschäftigtung zu sichern und Steuern zu zahlen, während der Statt die Steuern für soziale Aufgaben verwendet, so erwartet die Gesellschaft heute sozial verantwortliches Handeln auch von Unternehmen. „Profitfreies“ Handeln fordern manche. Extrem gedacht, wandert das Mandat der sozialen Aufgaben vom Staat zu den Unternehmen.

Um als Unternehmen glaubwürdig zu bleiben, müssen wir Nachhaltigkeitskriterien umsetzen. Für Eigentümer und Verwalter von Bestandsimmobilien kann die EU-Taxonomie und die Umsetzung einer ESG-Strategie ein Problem darstellen. In der Bestandsbewirtschaftung fehlen gegebenefalls die großen Budgets für diese Anpassungen, für die Projektentwicklung ist ESG jedoch eine Chance.“

“Es gibt ein für mich prägendes Buch von Hans Jonas über Verantwortungsethik (Das Prinzip Verantwortung): Freiheit endet da, wo ich die Freiheit des Anderen einschränke. Wir müssen die Konsequenzen unseres Handelns bedenken, im Hier und Jetzt, aber auch in der Zukunft, und zwar bei jeder Entscheidung unseres Lebens.”

 Alexander Happ – ASSIDUUS Development

Hans Jonas

Wie ordnen Sie das Thema ESG in der Immobilienwirtschaft ein? Welche Herausforderungen sehen Sie dort?

Ein Gesetz bedeutet noch längst keine Veränderung. Das Thema ESG ist nicht vom Himmel gefallen, sondern bildet gesellschaftliche Strömungen ab, die neue, vor allem politische Risiken für Investitionen darstellen. Große Ratingagenturen nehmen ESG-Faktoren mit in ihre Bewertungskriterien auf, um diese Risiken abzubilden: ESG-Ausprägung senkt Risiken. Die Unternehmen müssen die Frage des Klimas und der Umwelt auf lange Sicht lösen. Unternehmen, die jegliche Gemeinwohlorientierung vermissen lassen, werden zunehmend politisch und in ihren Spielräumen eingeengt. Daraus resultiert, dass diesen Unternehmen auf lange Sicht ihr Gewinnpotenzial gemindert wird. Das gleiche gilt für Unternehmen, die keine gute Unternehmensführung haben, also etwa kein Compliance System, das Arbeitsrecht nicht einhalten, usw. All diese Themen rücken in den nächsten Jahren zunehmend in den Vordergrund, das fängt aktuell schon mit der Diskussion über Vorstandsgehälter an.

Wer ESG heute umsetzen will, kommt um den Faktor E nicht herum. Die Messbarkeit ist dort sehr einfach: Stichwort CO2-Emissionen. Doch durch die Berücksichtigung des Faktors E steigen die Kosten. Das Kernproblem eines Projektentwicklers ist, dass er sich frühzeitig festlegen muss und die Kosten im Vorhinein noch gar nicht vollends kennt. Somit steigen die Unsicherheiten, doch gerade das ist die eigentliche Aufgabe eines Projektentwicklers: Unsicherheiten aus einem Projekt zu beseitigen. Das gibt nur einen kleinen Einblick in die Schwierigkeit der realistischen Umsetzung von ESG-Kriterien. Wir müssen uns in der Branche darauf vorbereiten, dass die negativen Folgen der Klimakrise weiter zunehmen und es in unserer Verantwortung liegt, klimapositiv zu bauen und klimaneutral zu bewirtschaften.

Welche Motivation steckt hinter ESG für Projektentwickler (in Zukunft)?

Mit der Verfolgung von ESG-orientierten Zielen steigt die Wahrscheinlichkeit, Baurecht zu erhalten sowie die Wahrscheinlichkeit, mit der License to operate dann auch das nächste Projekt unkompliziert realisieren zu können. Auch das Kapital wird einem eher gewährt, wenn man in nachhaltige Projekte investiert.

Wir bei ASSIDUUS verlassen uns nicht auf Andere, sondern wir entwickeln ein eigenes Scoring System, da wir nicht nur den Faktor E, wie wohl die meisten Unternehmen, sondern alle ESG-Faktoren berücksichtigen wollen. Gleichzeitig soll unser System nicht zu komplex sein, sondern beispielsweise 25 Faktoren im eigenen Scoring System berücksichtigen. Wir werden eine eigene Abteilung für Nachhaltigkeit aufsetzen, die sich ausschließlich mit diesen Themen auseinandersetzt und die Messbarkeit von ESG-Kriterien in den Mittelpunkt stellt.

Welche Rolle spielt Digitalisierung innerhalb der Projektentwicklung?

Wie bringe ich verschiedene Informationen über ein Gebäude zusammen? Nur über eine digitale Planung, die zum Beispiel alle Baustoffe im BIM erfasst und daraus resultierend eine Bewertung der Immobilie hinsichtlich ihres Materialwertes, des Circularity Indexes (der Recyclingfähigkeit) und des CO2-Fußabdruckes abgeben kann. Digitale Hilfsmittel und Plattformen sind notwendig in der Projektentwicklung, um vorausschauend bauen und die Baukosten gut prognostizieren zu können. Auch in puncto Kalkulationen lässt sich festhalten, dass Zahlen nicht zwingend statisch, sondern dynamisch sind. Unternehmen, die ESG Prozesse umsetzen möchten und Kapitalströme abgreifen wollen, brauchen eine höhere Prognosefähigkeit. Dafür werden Digitalisierungsmittel benötigt. Die Digitalisierung verhilft Unternehmen nachhaltiger zu agieren, somit sind digitale Technologien unausweichlich, wenn es um ESG geht.

Videoaufzeichnung

Let's Talks Interviews

Weiterlesen? Lesen Sie hier das “Let’s talk”-Interview mit Pieter den Boer, Entwickler und Mitgründer von Reasult: